Eccentric - Ästhetik der Freiheit


Paola Pivi We are the Alaskan tourists Photo by David Stjernholm


Mutig und frei, humorvoll, berührend oder verstörend – Positionen von 50 internationalen Künstlern zeigen in der Münchner Pinakothek der Moderne, dass Exzentrik sehr viel mehr ist als Überspanntheit oder Dekadenz. Sie verweigert sich jeder Ideologie und ist so ein gesellschaftlicher Motor für Freiheit und Toleranz.

Der Schwerpunkt der Schau mit rund 100 Werken liegt auf der zeitgenössischen bildenden Kunst über das gesamte Gattungsspektrum hinweg mit Werken aus Malerei, Skulptur, Installation, Performance und Medienkunst. Mit einzelnen Werken aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert werden auch historische Bezugspunkte deutlich, zudem erweitern Designobjekte das Spektrum des Exzentrischen. Eccentric. Ästhetik der Freiheit feiert die Vielfalt und Vielschichtigkeit unter grundlegenden Aspekten der menschlichen Existenz wie Körper, Identität, Schönheit oder Umwelt.

Der Grundgedanke der Ausstellung Eccentric. Ästhetik der Freiheit liegt in der Überzeugung, dass Exzentrik eine intellektuelle Haltung ist, die sich Ideologien jeglicher Art verweigert. Sie basiert auf der Freiheit des Denkens und Gestaltens und tritt damit für die Freiheit der Demokratie und des Humanismus ein. Diese Freiheit jenseits von Ideologien setzt Energien von transformativer Kraft frei. Sie bewegt sich nicht in den hierarchisch-autokratischen und binären Strukturen des „Entweder-oder“, sondern in den vernetzten und non-binären Strukturen des „Sowohl-als-auch“.

Paul McCarthy (US *1945) White Snow Dwarf (Bashful) 2010, Silikon (pink) AP 1/2, Ed. von 3 + 2 AP 167.6 x 121.9 x 121.9 cm Foto: Fredrik Nilsen Ursula Hauser Collection, Schweiz

Anna Uddenberg (SE *1982) Climber (warcraft) 2019, Unikat: Aquaharz, Fiberglas, Stahl, Bistrotisch, Holzverbundstoff, Acryl-Stoff, Plissee-Taschen, Schlangenlederimitat, Netzgewebe, Polyester, Sprühfarbe, Acrylfarbe, Kunsthaar, Acrylnägel, Polyurethanschaum, 135 x 125 x 115 cm, Sammlung Thiess, München Foto: Gunter Lepkowski Courtesy the artist; KraupaTuskany Zeidler, Berlin

Die Geschichte des Begriffs reicht lange zurück, lässt sich aber bis heute nicht eindeutig fassen. Im antiken Griechenland bezeichnete man einen Himmelskörper, der sich – anders als im geozentrischen Weltbild angenommen – nicht um die Erde dreht, als ékkentros (von „ék“=aus und „kéntron“=Mitte), also als „außerhalb des Zentrums“. Und vielleicht ist genau diese Tatsache ein Merkmal des exzentrischen Wesens, das sich der Berechenbarkeit und Kontrolle entzieht.

Früh erkannte man, dass eine Gesellschaft, der es immer wieder und an verschiedenen Stellen gelingt, von dem als üblich Angesehenen abzuweichen, an Stabilität und Resistenz gewinnt. Der britische Philosoph John Stuart Mill etwa unterstreicht in seinem Werk On Liberty die Bedeutung exzentrischer Persönlichkeiten für die Fortentwicklung einer Gesellschaft. Exzentrik und Freiheit sind also schon lange miteinander verbunden – und bilden das Fundament der Ausstellung.

Ausstellungsansicht der Sonderausstellung „ECCENTRIC. Ästhetik der Freiheit“, Pinakothek der Moderne,
Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen , Haydar Koyupinar

50 für die Ausstellung ausgewählte künstlerische Positionen verdeutlichen die Perspektive des ex centro, des Blicks von außerhalb einer fiktiven Mitte. Eccentric. Ästhetik der Freiheit erforscht das facettenreiche Spektrum von Identität und Humanität. Die Künstler:innen experimentieren mit allen Medien, unterschiedlichsten Materialien und Techniken. Ihre Motive und Sujets betrachten und bearbeiten sie aus den überraschendsten Perspektiven, verzerren und deformieren sie und fügen sie dann zu hybriden und amorphen Kompositionen zusammen. Sie verflüssigen Figuren und Formen und feiern Diversität jenseits von erstarrten Normen und Klischees.

In fünf Ausstellungskapiteln lassen sich die mutige Überschreitung der Normen, die Offenheit gegenüber anderen Perspektiven und die Unabhängigkeit des Exzentrischen beobachten. Der erste Raum unter dem Titel Creatures zeigt die Diversität individueller Wesen, deren ambivalente Ausstrahlung fragil und angreifbar wirkt, die aber selbstbewusst ihren eigenen Wirkungsraum behaupten. In Exalted Cosmos geht es um den Raum und dessen ästhetische Maßstäbe, den sich exzentrische Künstlerpersönlichkeiten erschaffen, während das Kapitel Transformative Technology den schöpferischen, grenzüberschreitenden Umgang mit Technik und Materialien ins Zentrum stellt. Hybrid Beauty und Fluid Bodies schließlich machen den außergewöhnlichen Schönheitsbegriff sowie die Wandelbarkeit und das Selbstverständnis des Körperlichen sichtbar.


Eccentric. Ästhetik der Freiheit
25. Oktober 2024 bis 27. April 2025

Pinakothek der Morderne | Barer Straße 40 | 80333 München
Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr


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