Matisse – Einladung zur Reise


Henri Matisse, Intérieur au rideau égyptien (Interieur mit ägyptischem Vorhang), 1948

Öl auf Leinwand, 116.2 x 89.2 cm
The Phillips Collection, Washington, D. C., erworben 1950
© Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich
Foto: The Phillips Collection, Washington, D.C.


In den Bildern von Henri Matisse, inspiriert von seinen vielen Reisen, spüren wir noch heute die reine Lebenslust. 1930 schreibt er aus Tahiti an seinen Freund Pierre Bonnard: “Guter Aufenthalt, gute Erholung. Habe allerlei Dinge gesehen. … Habe 20 Tage auf einer ‚Koralleninsel‘ gelebt: reines Licht, reine Luft, reine Farbe: Diamant Saphir Smaragd Türkis. Phantastische Fische. Habe absolut nichts gemacht, außer schlechte Fotos.“

Die Fondation Beyeler zeigt nun die erste Henri-Matisse-Retrospektive in der Schweiz und dem deutschsprachigen Raum seit fast 20 Jahren. Anhand von über 70 bedeutenden Werken aus namhaften europäischen und amerikanischen Museen sowie Privatsammlungen richtet die Ausstellung den Blick auf die Entwicklung und Vielfalt im wegweisenden Schaffen des Künstlers.

Henri Matisse Poissons rouges et sculpture, 1912 Goldfische und Skulptur

Öl auf Leinwand, 116,2 x 100,5 cm The Museum of Modern Art, New York, Schenkung Mr. und Mrs. John Hay Whitney, 1955 © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zürich Foto: Digital image, The Museum of Modern Art, New York/Scala, Florence

Als Ausgangspunkt dient dabei Charles Baudelaires berühmtes Gedicht Einladung zur Reise, das zahlreiche Schlüsselthemen aufweist, die auch in Matisse’ Werken zu finden sind. In der Befreiung der Farbe vom Motiv und in der Vereinfachung der Formen hat Matisse die Malerei neu definiert und dabei eine bis dahin unbekannte Leichtigkeit in die Kunst gebracht. Auch in der Bildhauerei war Matisse ein Innovator, und in seinen späten Scherenschnitten entfaltete er ein unverwechselbares Zusammenspiel von Malerei, Zeichnung und Skulptur.

Die Ausstellung umspannt sämtliche Schaffensphasen des Künstlers. Sie setzt mit den um 1900 entstandenen Bildern der Frühzeit ein, führt über die revolutionären Gemälde des Fauvismus und die experimentellen Werke der 1910er-Jahre hin zu den sinnlichen Gemälden der Nizza-Periode und der 1930er-Jahre, um schliesslich in den legendären Scherenschnitten des Spätwerks der 1940er- und 1950er-Jahre zu gipfeln.

Die von Raphaël Bouvier kuratierte Ausstellung versammelt ikonische Werke sowie selten gezeigte Bilder aus renommierten Museen und Privatsammlungen, darunter unter anderem das Baltimore Museum of Art das Centre Pompidou, Paris; das K20, Düsseldorf; das Kimbell Art Museum, Fort Worth; das Museum of Modern Art, New York; die National Gallery, Washington; und das San Francisco Museum of Modern Art. Gezeigt werden Meisterwerke wie La Desserte (Der servierte Tisch), 1897; Luxe, calme et volupté, 1904 oder der Grosser liegender Akt (Grand nu couché). Dank dieser Fülle von bedeutenden Gemälden, Skulpturen und Scherenschnitten erschliessen sich die Entwicklung und der Reichtum von Matisse’ einzigartigem Œuvre.

Es war die künstlerische Suche nach dem idealen Licht, die Henri Matisse zu immer neuen Reisen veranlasste. Im Norden Frankreichs aufgewachsen, fand er es zunächst im mediterranen Süden des Landes, erkundete es danach weiter in Italien, Spanien und Nordafrika, dann auf einer in New York begonnenen Fahrt quer durch die USA und schliesslich in der Südsee.

Henri Matisse Grand nu couché (Nu rose), 1935 Grosser liegender Akt (Rosafarbener Akt)

Öl auf Leinwand, 66,4 x 93,3 cm The Baltimore Museum of Art, The Cone Collection, gegründet von Dr. Claribel Cone und Etta Cone, Baltimore, Maryland, 1950 © Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zürich Foto: Mitro Hood

Auf seinen zahlreichen Reisen innerhalb und ausserhalb Europas, die den Künstler auch nach Russland führten, machte er Bekanntschaft mit für ihn neuen Naturräumen, Kulturen und Bildtraditionen, die er seinem eigenen Schaffen anverwandelte. Reisen und das damit verbundene Erlebnis des Lichts waren entscheidende Aspekte, die Matisse’ künstlerische Entwicklung vom revolutionären fauvistischen Frühwerk bis hin zu den späten ikonischen Scherenschnitten prägten.

Henri Matisse, Nu bleu, la grenouille (Blauer Frauenakt, der Frosch), 1952

Mit Gouache bemalte und ausgeschnittene Papiere auf Papier auf Leinwand, 141 x 134.5 cm
Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler
© Succession H. Matisse / 2024, ProLitteris, Zurich
Foto: Robert Bayer

So bildeten das Reisen und das Atelier als Arbeitsort die beiden Pole, zwischen denen sich Matisse’ künstlerisches Schaffen entfaltete. Sein Leben und Œuvre waren von den ständigen Wechselwirkungen zwischen dem Reisen im In- und Ausland und dem sich niederlassen an unterschiedlichen Arbeitsstätten bestimmt. Auch sind Erfahrungen, Erinnerungen und Objekte des Reisens ebenso zentrale Themen seiner Werke, wie es das Atelier als Ort der künstlerischen Produktion ist. Im Schaffen von Matisse ist das offene Fenster ein immer wiederkehrendes Motiv.

Als Ort des Übergangs zwischen Innen und Aussen, zwischen dem nahen Hier und dem fernen Dort, bringt es das Nebeneinander von Zu-Hause-Sein und Reisen zum Ausdruck. In seiner symbolischen Bedeutung erweist sich insbesondere das Motiv des offenen Fensters als Einladung zur Reise.


Matisse - Einladung zur Reise
22. September 2024 bis 26. Januar 2025

Fondation Beyeler | Baselstrasse 101 | 4125 Riehen/Basel
Montag bis Sonntag 10-18 Uhr


Anne Harting

Chefredakteurin und Herausgeberin

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