Susanne Bisovsky – Wiener Chic
„Haute Couture ist Paris. Wiener Chic, das ist Wien“, sagt Susanne Bisovsky. Seit 1990 lebt die Modedesignerin in der Stadt und hat es aus ihr heraus verstanden, internationale Mode zu kreieren und ihren unverwechselbaren Stil in die Welt zu tragen.
Susanne Bisovskys Kreationen, von ihr selbst „Wiener Chic“ genannt, erkennt man auf den ersten Blick: Samt, Tüll, Spitze. Fein gestickte Blümchenmuster. Farbenrausch auf schwarzem Untergrund. Hochgeschlossene Krägen, kecke Federhütchen. Spitzenstrümpfe, in Latex gegossen neben traditioneller Tracht. Fransentücher und überdimensionierte Schleifen, die hochtoupierte Frisuren und Zöpfe rahmen. Blasse Gesichter, rote Bäckchen und blutrote Blumenkränze. Ernste Schönheit, dazwischen ein Gefühl von einer Prise Punk und auch, als während Frieda Kahlo gerade zu Gast gewesen.
Die Entwürfe der Wiener Designerin sind dennoch Welten entfernt von allem, was man modisch nennen könnte. Tracht wird von Susanne Bisovsky neu gedacht oder vielleicht doch nicht? „Tracht an sich ist ja nichts Verwerfliches, es kommt von Tragen. Aber in Österreich wird damit ein Riesenklischeetopf bedient. Meist wird darunter Dirndl und Lederhose verstanden und abseits davon sind kaum Kleidungszitate möglich.
Genau diese machen aber das breite Spektrum der Tracht aus, so Bisovsky. Die Tracht ist für die Designerin nur einer der Ausgangspunkte, dann folgt der Schritt in die Moderne. Sie ist da zuhause, wo Fantasie in Wirklichkeit übergeht, Gegenwart in Zukunft und umgekehrt. Es ist der Bereich, in dem Tradition auf Fantasie trifft. Unbeirrt von Trends führt sie uns, die wir an Marken und Lifestyle glauben, ein scheinbar aus der Welt gefallenes Bild der „Schönen Wienerin“ vor Augen.
Der Salon von Susanne Bisovsky befindet sich in der Beletage einer ehemaligen Seidenmanufaktur am historischen Brilliantengrund im 7. Bezirk. Wir haben uns hier spontan während meins Wien-Besuchs für ein Treffen verabredet, bewundere ich doch die aufregenden Kreationen bereits seit vielen Jahren. Man sollte Zeit mitbringen für diese Wunderkammer, in der man nicht aus dem Staunen herauskommt.
Susanne Bisovsky erwartet mich an der Eingangstür und führt mich nicht ganz ungefähr ins Haute Couture-Zimmer, wie ich den ersten Salon später für mich nennen werde. Bereits Berliner Deckenhöhen gewöhnt, sind diese hier doch um einiges höher und das Auge ist berauscht von der Farbvielfalt an Spitzen, Röcken, Blumen und Schuhen.
„Man muss immer schauen, wie viel Bisovsky ein Mensch verträgt.“, sagt Susanne Bisovsky, während sie einen großen Vorhang aufzieht und den Blick auf Ihre Couture-Modelle, die in mehreren Reihen übereinander hängen, freigibt. „Hier findet sich für jeden etwas und wenn nicht, kreiere ich es. Manche tragen meine Mode von Kopf bis Fuß mit einer selbstverständlichen Grandezza, für andere ist ein Tuch schon zu viel. Das findet man hier gemeinsam heraus.“
Überwältigt von diesem Anblick folge ich der Designerin in die Schneiderei, dem eigentlichen Herzen des Salons. Hier wird unter Federführung von Susanne Bisovsky jedes Modell gestaltet und in aufwendiger Handarbeit zusammengesetzt. Die älteste und zugleich wohl berühmteste Verehrerin und Kundin des Salons kommt übrigens aus den USA: Iris Apfel, die auch Suzy Menkes auf das Label aufmerksam machte.
Bisovsky studierte einst an der Hochschule für angewandte Kunst bei Jean-Charles de Castelbajac Mode. Er engagierte sie vom Fleck weg nach Paris. Weitere Stationen ihrer Ausbildung waren Marc Bohan und Vivienne Westwood sowie Kate Madden. Der Abschluss erfolgte dann bei Helmut Lang mit der prämierten Diplomarbeit Be tracht ung. Davor hatte sie auch schon für und mit ihm gearbeitet. Eines der dabei entstandenen Modelle – in Latex gegossene Spitze, vorgeführt in Paris von Naomi Campbell – wurde zum Dress of the Year 1995 gekürt.
Helmut Lang erinnert sich im Vorwort des Bildbandes Wiener Chic. Susanne Bisovsky an die Zusammenarbeit und findet sehr persönliche Worte für ihren einzigartigen Stil. „Susanne war eine meiner Studentinnen, als ich Anfang der neunziger Jahre an der Universität für Angewandte Kunst in Wien unterrichtete. Sie hatte eine Zerbrechlichkeit um sich, war aber bei Bedarf ziemlich stark und immer bereit, ihre Arbeit und ihren persönlichen Raum zu verteidigen. Sie war mit einer Vision bewaffnet, die in der alten österreichischen imperialen Tradition verwurzelt war, die sie umarmte, aber auch auf alle möglichen Arten beurteilen wollte, um ihrer Vorstellung von Transformation und Moderne zu dienen.“
Neben ihrem überschäumenden Talent trug vor allem Bisovsky Beharrlichkeit in den letzten drei Jahrzehnten dazu bei, dass ihre Mode auch international wahrgenommen und schließlich gefeiert, ausgestellt und ausgezeichnet wurde. Die Mailänder Skala und Wiener Staatsoper gehören zu ihren Kunden ebenso Kooperationen mit traditionsreichen Unternehmen wie Lobmeyr und Herend. In diesem Jahr kreiert sie erneut die Kostüme für die Ballett-Einlage des Wiener Opernballs und wird das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker 2023/2024 ausstatten.
Inzwischen sind wir in der Wohnküche des Ateliers angelangt und nehmen bei einer Tasse Tee Platz. Ich bin fasziniert von dem offenen Blick, mit dem die Designerin durch die Welt geht und dabei fast ganz nebensächlich auch Traditionen bewahrt. Die Wand zur Linken zeigt eine Sammlung alter bunter Nähkästchen, ebenso begeistert mich die Devotionaliensammlung neben den Gewürzen.
Wir sprechen über die Aufmerksamkeit für den anderen, das Besondere der Welt und die Ablenkung durch die Bildschirme des Handys. Leider vergeht die Zeit in diesem Atelierhimmel viel zu schnell und Susanne Bisovsky entlässt mich mit Empfehlungen für Plätze in der Stadt, an denen man noch die älteren Wiener Damen treffen kann und die den Rhythmus der Stadt noch heute fernab von Touristen bestimmen. Denn, so Bisovsky: „Wien ist eine ältere Dame, die früh zu Bett geht und lange schläft.“
Susanne Bisovsky
Salon Susanne Bisovksy / Seidengasse 13/6, 1070 Wien
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