21 x 21 – Die RuhrKunstMuseen in der Villa Hügel

Art

LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen, Gerhard Richter, Mutter und Tochter, 1965, Öl auf Leinwand, 180 x 110 cm © Gerhard Richter


Jedes Jahr aufs Neue trägt eine andere Stadt den Titel Kulturhauptstadt Europas, macht in dieser Zeit durch zahlreiche Events und Ausstellung auf ihr vielfältiges Kulturprogramm aufmerksam. Dass das Ruhrgebiet als ganzer Großraum diese Bezeichnung innehatte, ist mittlerweile genau 15 Jahre her – die für diesen Anlass geschaffene Verbundenheit zwischen den Städten und ihren Museen besteht allerdings bis heute.

Um noch einmal gemeinsam darauf aufmerksam zu machen, welche künstlerischen Schätze in ihren Hallen und Sammlungen schlummern und welche Bedeutung das Ruhrgebiet für die (inter-)nationale Kunstszene hat, erschufen die 21 hiesigen Museen nun eine Ausstellung, die ihresgleichen sucht.

Ausstellungsort ist die geschichtsträchtige Villa Hügel, einer der wohl eindrucksvollsten Ex-Wohnsitze des Unternehmertums, den Deutschland zu bieten hat. Einst lebte hier, von 1873 bis 1945, die Familie Krupp – drei Personen, verteilt auf eine beachtliche Größe von 399 Räumen und einem Gelände von über 40 Hektar.

Kein Wunder, dass schon beim Betreten des Hauses vielen Besucher die Luft wegbleibt. Überlebensgroßen Gemälde der Familie Krupp empfangen ihre Gäste direkt in der Eingangshalle. Wer von dort aus die Stufen nach oben nimmt, erreicht im ersten Geschoss noch bis zum 27. Juli die gemeinsame Exhibition der RuhrKunstMuseen. Ihr Titel: 21x21.

Lehmbruck Museum Duisburg, Wilhelm Lehmbruck, Große Sinnende, 1913

Alicja Kwade Selbstporträt als Geist (c) Krupp-Stiftung Peter Gwiazda

Um zu verstehen, wie diese Ausstellung aufgebaut ist, muss man eines wissen: Die gezeigten Werke sind nicht zufällig gewählt, ihre thematische Verwandtschaft nicht das Einzige, was sie verbindet. Grundgedanke des Ganzen ist tatsächlich eine Art Dialog zwischen den Werken, ein Gespräch, das aus den Sammlungen der einzelnen Museen entsteht.

Deswegen wählte jedes Museum, von Essen über Dortmund nach Bochum, eine Arbeit aus der eigenen Sammlung aus – egal ob Gemälde, Fotografie oder Skulptur. Die Aufgabe der anderen war, darauf zu reagieren. So entstanden 21 Dialoge, bestehend aus 21 Impulsen und 20 Antworten. Wer schnell nachrechnet, stellt fest, dass sich daraus eine Ausstellung aus 441 Werken ergibt – eine Zahl, die selbst die Grenzen der Villa Hügel sprengen würde. Also beschloss man, zwei Versionen zu erstellen: eine vollständige, digitale und eine analoge, die sich auf zehn Impuls-Arbeiten und deren Reaktionen zu beschränkt.

Zurück in die Villa Hügel also: Die Ausstellung beginnt mit dem Thema Das Bild der Frau – es ist der erste von zehn thematisch geordneten Dialogen, aufgeteilt in einen Rundgang durch zehn Räume. Wer sich umsieht, entdeckt unter anderem Gerhard Richters Gemälde Mutter und Tochter an der Wand. Darauf zu sehen: die Filmikone Brigitte Bardot und ihre Mutter, beide Arm in Arm. An anderer Stelle hängt hingegen ein Bild der Künstlerin Eliza Douglas. The Potential of Being zeigt zwei entfremdete, lange Beine, die in weißen Dr. Martens stecken scheinbar in Leere treten. 

Im Fokus des Raumes steht die Große Sinnende. Sie ist das Erste, was ins Auge springt und eine Skulptur des Künstlers Wilhelm Bruck, die er zu Beginn des 20. Jahrhunderts schuf. Ihr Körper und ihre Rundungen heben sich deutlich von den zu dieser Zeit gängigen Darstellungen der Weiblichkeit ab und die überlebensgroße Darstellung verstärkt diese Unterschiede noch dazu. Die Große Sinnende stammt aus der Sammlung des Lehmbruck Museums in Duisburg und ist der erste Impuls, den die Besuchern von 21x21 zu sehen bekommen.

(c) Krupp-Stiftung Peter Gwiazda

Kunstmuseum Bochum, Frank Stella, Moultonville IV, 1966, 310 x 215 cm, Acryllack auf Leinwand © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Ein paar Räume weiter dreht sich dann wiederum alles um die Themen Arbeit und Struktur. Untermalt von der mal lauter und mal leiser werdenden Geräuschkulisse arbeitender Maschinen werden unter anderem Werke von Josef Alber und Jessica Stockholder gezeigt, die sich mit dem Thema der Struktur beschäftigen – und vor allem damit, was übrig bleibt, wenn sie verschwindet.

Ursprung der Geräusche ist die große Klanginstallation von Denise Ritter, die scheinbar schwebend im Zentrum des Ganzen hängt und eine Komposition aus Audio-Aufnahmen des Steinkohlebergbaus abspielt. Aufgenommen wurden sie in den letzten Arbeitstagen der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop, kurz vor deren Schließung. Der Impuls-Geber in diesem Raum ist das Gemälde Pinatubo von Emil Schumacher aus dem gleichnamigen Museum in Hagen. Es ist ein großformatiges Bild mit expressionistischer Farbwahl, das zu den Spätwerken des Malers gehört.

Den Abschluss findet die Ausstellung im Raum Tradition im Wandel. Hier springt vor allem die Skulptur von Bildhauerin Alicja Kwade ins Auge. Ihr Selbstporträt als Geist wirft Fragen nach dem Selbst der Künstlerin auf, das versteckt unter dem Laken lauert. Die Skulptur ist eine der Antworten auf das im neoimpressionistischen Stil gemalte Bild Werk von Christian Rohlfs aus dem Jahr 1903, genannt Interieur des Museum Folkwang Hagen. Die Einrichtung des Museums hat sich bis heute selbstverständlich verändert, nicht jedoch der Leitgedanke und die Werte. Das Bild stammt aus der Sammlung des Osthaus Museum Hagen.

Wer sich für die komplette Ausstellung in digitaler Version interessiert, findet sie unter 21x21.de. Übrigens: Dort kann man auch das Spiel Museum-Match spielen und – ähnlich wie im Online-Dating – durchs Herzchen-verteilen sein Museum im Ruhrgebiet finden.


21 x 21
11. April – 27. Juli 2025

Villa Hügel | Hügel 1 | 45133 Essen
Dienstags bis Sonntags 10-18 Uhr


Julia Mähl

Julia Mähl ist freie Journalistin und Fotografin und in den Bereichen Kunst, Theater und Stadtgeschehen zuhause. Die Wahl-Hamburgerin liebt das Schreiben – vor allem, wenn man dabei neue Dinge und Menschen kennenlernen kann. Sie hat ein Faible für gute Bars und Restaurants und ist immer bereit für das nächste Abenteuer. 

www.juliamaehl.de

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