James Turrell – A Chapel for Luke and his scribe Lucius the Cyrene

Art

James Turrell, Photo by Florian Holzherr


Die meisten Menschen fahren ins rund 30 Kilometer entfernte Freising, um die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan zu besuchen, um durch das historische Zentrum zu schlendern oder weil sie am europaweit einmaligen Standort „grüner Wissenschaften“ an einer der beiden Universitäten eingeschrieben sind. Seit Ende 2022 gibt es noch einen weiteren, ziemlich großartigen Grund, zum Domberg zu pilgern: Die von James Turrell kreierte Kapelle des Heiligen Lukas im neuen Diözesanmuseum des ehemaligen Freisinger Knabenseminars.

Vielleicht muss man sich die Kunst von James Turrell verdienen. Auf jeden Fall kommt man nicht darum herum, sie sich körperlich zu erarbeiten. Schließlich ist das Diözesanmuseum Teil der Domanlage, die als Mittelpunkt des Dombergs zu Freising sichtbares Wahrzeichen der Stadt ist. So könnte das Innehalten nach Ankunft in der Haupthalle also durchaus auch Mittel zum Zweck und eine Einstimmung auf das reduzierte Tempo sein, mit dem das Werk des amerikanischen Künstlers wahrgenommen werden soll.

Ähnlich wie die Geschwindigkeit, sinkt auch die Lautstärke, mit der man sich im Herzen des Museums unterhält. Ein bisschen Ehrfurcht und ganz viel Neugier auf das wechselfarbige Glühen, von dem man magisch in Richtung Kapelle des Heiligen Lukas gezogen wird, manipulieren schon jetzt das Erlebnis im geheimnisvollen Raum, der der dauerhaften Ausstellung ihren Namen verliehen hat.

James Turrell, Photo by Florian Holzherr

Über ein paar Stufen ohne Geländer und eine kleine Schwelle wird die Hauskapelle mit der raumübergreifenden Ganzfeld-Lichtinstallation erreicht. Doch bevor man die Stätte betritt, kommen Schuhüberzieher an die Füße, um keinerlei Spuren in dem grundsätzlich weißen Raum zu hinterlassen. Leicht wackeligen Ganges ist die nächste selbstverständliche Handlung, die Grenzen der Kapelle auszuloten – nur mit dem bloßen, leicht irritierten Augen; freihändig, denn die Wände dürfen nicht berührt werden. Ohne Erfolg, denn es gibt keinen Horizont, kein oben und kein unten.

Auf der Bank im Kapelleninneren tauchen Besucher voll und ganz in das Geschehen ein und erfahren – bezeichnend für Turrell – Licht als künstlerisches Medium. Wer sich ein bisschen Zeit nimmt, wird das Gefühl für diese im nächsten Augenblick, ebenso wie das für die Räumlichkeit, komplett verlieren. Denn hier zählt nur das Hier und Jetzt, der Moment. Und der nächste, wenn sich die Farben wieder ändern. Auch die Tatsache, dass sich hier einst eine Kapelle befand, weicht zugunsten eines Kunstwerks, das mit Muße betrachtet fast spirituell, auf jeden Fall aber meditativ, wirkt.

James Turrell war lediglich ein einziges Mal vor Ort, um seine Lichtinstallation zu planen, allerdings befasste er sich intensiv mit der Lokalität. Mit Licht und seiner Wirkung auf die menschliche Wahrnehmung beschäftigt sich der 1943 in Los Angeles geborene Künstler seit Mitte der 1960er Jahre professionell. „My work has no object, no image and no focus. With no object, no image and no focus, what are you looking at? You are looking at you looking. What is important to me is to create an experience of wordless thought.” Ausgezeichnet wurde er sowohl für den künstlerischen als auch architektonischen Aspekt seiner Werke.

Wer den Raum verlässt, wird sich der Blickachse bewusst, auf der die Lichtinstallation und das Lukasbild, die bedeutendste byzantinische Ikone in der Sammlung des Diözesanmuseums, liegen. Das Bild war auch der Namensgeber für James Turrells Kunst in der Kreisstadt. Im Rahmen der Umgestaltung des wegen Brandschutzproblemen geschlossenen alten Diözesanmuseums wurden die historischen Bestände auf der ersten Etage modern inszeniert. Ein Rundgang lohnt sich – auch wegen der schönen Ausblicke auf die Umgebung.


James Turrell: A Chapel for Luke and his scribe Lucius the Cyrene
Dauerhafte Installation

Diözesanmuseum Freising / Domberg 21 / 85354 Freising
Dienstag bis Sonntag, 11-12 und 14-15 Uhr


Sabrina Hasenbein

Für PAJO ONE erkundet Sabrina Hasenbein ihre Heimatstadt München am liebsten durch den künstlerischen, kulturellen und kulinarischen Blickwinkel. Allerdings ist die freie Autorin auch gerne überall anders auf der Welt unterwegs - bevorzugt dort, wo sich Meer und Metropole treffen.



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