1+1+1+1+1+1+1+1 Art. 8 GG Versammlungsfreiheit - Treffpunkt Villa Schöningen
Die Frage, wie Menschen trotz Abstandsgeboten zusammenkommen, bestimmt die aktuelle Gruppenshow 1+1+1+1+1+1+1+1 Art. 8 GG Versammlungsfreiheit in der Villa Schöningen. Die Ausstellung widmet sich den verschiedenen Facetten und aktuellen gesellschaftlichen Kontroversen von Versammlungen als zentraler menschlicher Kommunikationsform.
Das gesellschaftliche Konfliktpotential von Versammlungen wird durch die aktuelle Pandemie besonders deutlich. Die neu eingezogene Distanz stellt auch für Ausstellungshäuser den traditionellen Bezug zwischen Kunstwerk und Betrachter in zugespitzter Weise in Frage. Welchen Unterschied die neuen physischen Abwesenheiten machen, haben wir alle in den vergangenen Monaten tagtäglich erfahren.
Um so mehr freut es uns, dass die erste von Sonia González, der neuen Direktorin der Villa Schöningen, kuratierte Ausstellung in diesen Tagen wieder ihre Türen für Besucher öffnen kann. Vierzehn Künstler, deren Werke einen Zeitraum von 50 Jahren umspannen, präsentieren bis Ende März ihre Arbeiten in den historischen Räumen der Villa und behandeln die verschiedenen Facetten von Versammlungen im Spannungsfeld von physischen, emotionalen, politischen und sozialen Begegnungen.
Gleich zu Beginn der Ausstellung thematisiert Marcel Odenbach in seiner Videoarbeit das physische Abtragen der Mauer und legt symbolisch eine Maurerkeller für den Betrachter bereit. Besonders beeindruckend ist die Videoarbeit Tief im Wald von Christian Jankowski und Klasse. Jankowski hält ein Zwiegespräch fest, das Fragen zum Verhältnis des Individuums zur versammelten Gemeinschaft aufwirft. Parallel dazu treffen wir auf frühe Werke von Chris Reinecke, die in der Ausstellung einen ausdrucksstarken Raum für ihre Arbeiten erhält.
Von Malte Bartschs Time Machine erhält man nach Drücken des roten Knopfes eine Quittierung der Zeit als absurden Beleg des Moments und des Zusammentreffens. Eine wunderbares Gegenüber erhält diese durch Jörg Immendorffs Arbeit Ende gut, alles gut aus dem Jahr 1983, die ein Wunsch nach einem vereinten, vielfältigen Deutschland zu sein scheint.
Das Wünsche wahr werden können, zeigt der freie Blick aus den Fenstern der Villa Schöningen auf die Glienicker Brücke. Untermalt von zweiteiligen Soundarbeit My Favorite Music von Annika Kahrs, die uns ins hier und jetzt zurückholt und mit der Ambivalenz von Gefühlen spielt. Kahr beschäftigt sich mit der akustischen Aneignung im öffentlichen Raum: Die Stadt Hamburg initiierte im Jahr 2001 eine bis heute laufende Musikinstallation am Hauptbahnhof, mit dem Ziel, Versammlungen von Menschen in prekären Lebensverhältnissen zu zerstreuen.
Um das Thema anonymer Digitalisierung und deren Einfluss auf unsere Realität geht es auch in der Videoarbeit RealThomas Metzinger der Künstlerin Anna Ehrenstein, die man gerade auch in einer digitalen Ausstellung bei Office Impart erleben kann. Beeindruckend finden wir auch die Arbeit von Marion Fink. Die von ihr gezeigten Figuren unterschiedlicher Generationen treten in keinerlei Austausch oder Kommunikation miteinander. In welcher Beziehung die Personen zueinanderstehen, bleibt ungeklärt.
Es könnte sich um eine zufällige Gruppierung in der Wartehalle eines Flughafens, aber genauso gut um eine Familie handeln. Ähnlich zurückhaltend wirkt die Bodenarbeit von Roman Gysin, in der die Rückstande, die wir sonst an öffentlichen Plätzen finden, thematisiert werden. Und damit die Frage aufwerfen: Was bleibt nach dem Zusammenkommen?
Doch genießen wir zunächst das wieder mögliche Zusammenkommen in Ausstellungen wie 1+1+1+1+1+1+1+1 Art. 8 GG Versammlungsfreiheit. An dieser Stelle nochmals ein herzliches Willkommen an Sonia González und danke für diese in vielerlei Hinsicht inspirierende Ausstellung.
1+1+1+1+1+1+1+1 Art. 8 GG Versammlungsfreiheit
bis 28. März 2021
Villa Schöningen / Berliner Straße 86 / 14467 Berlin
Freitag bis Samstag 12-18 Uhr