EMOP Berlin – Begegnungen der besonderen Art
Wie vielfältig Fotografie sein kann, lässt sich in diesem Monat in Berlin erleben. Bis zum 31. Oktober 2020 findet die 9. Ausgabe des European Month of Photography Berlin statt. Mehr als 100 Berliner Museen, Galerien, Off-Spaces und Institutionen, verteilt über die ganze Stadt, laden mit 114 Ausstellungen und zahlreichen Talks, Panels und Kuratorenführungen ein, den Facettenreichtum des Mediums Fotografie zu entdecken.
Bei dem umfangreichen Angebot an fotografischen Höhepunkten lässt sich schnell die Übersicht verlieren, deshalb stellen wir Ihnen an dieser Stelle unsere Top10 des EMOP Berlin 2020 vor.
Die Akademie der Künste präsentiert unter dem Titel KONTINENT – Auf der Suche nach Europa die thematisch angelegte Zentralausstellung des EMOP. Sie rückt die europäische Gegenwart durch eine spannend angelegte Kuration von Ingo Taubhorn in den Mittelpunkt und beleuchtet diese durch 22 Positionen aller Mitglieder der OSTKREUZ – Agentur der Fotografen. Ein Must-see und Ausgangspunkt für unsere fotografische Ausstellungsreise durch Berlin.
Kontinent - Auf der Suche nach Europa / 02. Oktober 2020 bis 10. Januar 2021
Akademie der Künste / Pariser Platz4 / 10117 Berlin
SVEN MARQUARDT. STAGELESS. Der intensive Blick einer Tänzerin fixiert frontal die Kamera. Ihre dunklen Haare sind unter einem Haarnetz verborgen. Ein übergroßer, schwarzer Wintermantel liegt schwer auf ihren Schultern. - Obwohl es zunächst scheint, als wären die Porträtfotos von Mitgliedern des Tanzensembles der Vivid Grand Show des Friedrichstadtpalastes gerade erst aufgenommen worden, entstanden sie bereits im November 2019. Marquardt lässt auf seine ganz eigene Art, die Persönlichkeit seiner Protagonisten hinter der Fassade des Künstlers und der Welt der großen Show leise hervortreten. Aufgenommen in wenigen Stunden bei Tageslicht in einem Lastenfahrstuhl, der zur Kulisse wurde, werden wir Zeuge von Persönlichkeit, Melancholie, Körperlichkeit und einer großen Ode an die innere Schönheit.
Sven Marguardt. Stageless / 02. Oktober bis 29. November 2020
Friedrichstadt-Palast / Friedrichstraße 107 / 10117 Berlin
MARIA TOMANOVA. LIVE FOR THE WEATHER. Auch diese Ausstellung ist für uns ein Must See. Marie Tomanoist eine tschechische Fotografin, die in New York zu Hause ist. Wie für viele war für sie die Auswanderung in die USA die einschneidendste Erfahrung in ihrem Leben. Vertreibung, Ort, Gemeinschaft, Selbst und Erinnerung sind Schlüsselarbeiten ihrer Fotoarbeiten: ihre Selbstporträtserie von 2014, ihre Porträts in „Young American, die es ihr ermöglichten, mit andren in Verbindung zu treten und ihrem jüngsten Werk It was Once My Universe, einem Projekt über ihre Rückkehr nach Europa, in ihre Heimatstadt, nach acht Jahren Abwesenheit. Tomanovas Bilder konfrontieren uns direkt und ohne Kunstgriffe mit der Macht der einfachen menschlichen Existenz. Es geht um Toleranz, Akzeptanz, Jugend und Menschlichkeit.
Live for the weather / 25. September bis 14. November 2020
Tschechisches Zentrum Berlin / Wilhelmstraße 44 / 10117 Berlin
BLINDE FOTOGRAF*INNEN. Grandios können wir nur sagen und unbedingt ist auch ein Besuch des Rahmenprogramms zur Ausstellung empfehlenswert. Blinde Fotograf*innen zeigt Werke von vier Fotograf*innen, die alle im Verlauf ihres Lebens erblindet sind. Seit viele Jahren setzten sie sich mit dem eigentlich Unmöglichen auseinander: dem Sehen. Für ihre Fotografien nutzen sie die Technik des Lightpaintings, die beinahe so alt ist, wie die Fotografie selbst. In völlig abgedunkelten Räumen arbeiten sie mit selbstgewählten, ganz unterschiedlichen Lichtquellen, die Aspekte eines Bildes heraus, die sie ihrem gegenüber vermitteln möchten. Unterstützt werden sie dabei von sehenden Assistenten, die die Motive ihren Anweisungen entsprechende arrangieren und ihnen verbal rückübersetzen. Durch die konzentrierte Auseinandersetzung mit dem Medium entwickelt sich so eine individuelle, einzigartige Bildsprache.
Blinde Fotografi*innen / 03. Oktober bis 29. November 2020
F3 – Freiraum für Fotografie / Waldemarstraße 17 / 10179 Berlin
RUTH UND LOTTE JACOBI. FOTOGRAFIEN. Die Ausstellung vereint das fotografische Werk der beiden Schwestern Ruth und Lotte Jacobi. Hineingeboren in eine Fotografendynastie, führten sie ab 1931 zusammen das Fotoatelier Jacobi, mitten im Berliner Neuen Westen gelegen, wo die Avantgarde zu Hause war. Lotte Jacobis wird als Repräsentantin der Neuen Fotografie bereits in der 1920er Jahren mit ihren Porträts unter anderem von Albert Einstein und Erika Mann berühmt. Ruth Jacobis Werk ist bis heute weitgehend unbekannt und umfasst sowohl Porträts, Stillleben, Reportage- als auch Reise-, Pflanzen- und Experimentalfotografien. Ergänzt um Briefe und persönliche Dokumente aus Berlin und der Zeit der Emigration in die USA lässt so ein persönliches Bild einer der ältesten Fotograf*innen-Familien in Deutschland entstehen.
Ruth und Lotte Jacobi / 25. September 2020 bis 10. Januar 2021
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus / Stresemannstraße 28 / 10963 Berlin
ESTHER HAASE / SUSANNA KRAUS. BEFLÜGELT. Die Ausstellung zeigt eine unveröffentlichte Auswahl aus der Serie Beflügelt, die im künstlerischen Zusammenspiel zwischen Mode und Fotografie entstand. 2014 startete in Berlin ein einzigartiges Experiment. Zum ersten Mal verwendete die Modefotografin Esther Haase die IMAGO Camera las einzige begehbare Großbildkamera der Welt der Modefotografien. Zusammen mit Susanna Kraus, künstlerische Leitung und Initiatorin der IMAGO Camera, untersuchten sie den Aspekt in der Modefotografie, der frei des Verwertungsgedanken entsteht. Sie gestalteten zwei Serien, die aus nur 18 schwarzweißen Unikaten mit bühnenhafter Präsenz bestehen.
Beflügelt / 03. Oktober bis 24. Oktober 2020
Imago Camera Berlin / Prinzenstraße 85d / 10969 Berlin
ANDREAS MÜHE. HAGIOGRAPHIE BIOROBOTICA. Als sich 1986 die Nuklearkatastrophe in Tschernobyl ereignet, werden tausende menschliche Liquidatoren zum Reaktor gesandt. Sie werden auch Bioroboter genannt, denn die zuvor eingesetzten Maschinen überstehen Hitze und Strahlung nicht. Also schickt man Menschen hinein; in Schutzanzügen wie aus fantastischen Science-Fiction-Szenen. Im in der St. Matthäus-Kirche vorgestellten Werkzyklus Biorobots in drei Akten holt Andreas Mühe die namenlosen Männer von Tschernobyl vor die Linse. Er führt damit das konstruierte Narrativ eines staatlich-instrumentalisierten Heldentums vor. Anstelle des singulären starken Mannes scheint das Kollektiv die verlässlichere Form. Das letzte Bild der Serie zeigt nur ein leeres Podest. Ob der Bioroboter selbst gegangen ist oder weggeschafft wurde, bleibt offen.
Hagiographie Biorobotica / 09. Oktober 2020 bis 06. Januar 2021
St. Matthäus-Kirche /Matthäuskirchplatz / 10785 Berlin
EMANUEL GYGER, ARNOLD KLOPFENSTEIN. PIONIERE DER SKIFOTOGRAFIE. Erstmalig wird das wichtigste Pionierwerk der Skifotografie gewürdigt. Fernab der großen Zentren von Fotografie und Wintersport schufen Emanuel Gyger und Arnold Klopfenstein im Berner Oberland mit seiner unverkennbaren Bildsprache Ikonen der frühen Free-Ride-Bewegung. Skifahren in den 1920er und 30er Jahren war ein Lebensgefühl und eine Geisteshaltung. Die Bilder des Duos zeichnen sich aus durch virtuoses Schattenspiel und Gegenlichteffekte. Einige stilistische Besonderheiten erklären sich aus Gygers einseitiger Erblindung: Wie durch den Sucher einer Kamera sah er die Welt stets zweidimensional.
Pioniere der Skifotografie / 01. Oktober bis 01.November 2020
Sammlung Müller-Jentsch / Nollendorfstraße 35 / 10777 Berlin
LETTE VEREIN BERLIN. EYES WIDE OPEN. Für Fotografen sind offene Augen ein verbindendes Element. Die Erfahrungen und Erlebnisse, die sich daraus ergeben, unterscheiden sich jedoch. Im Rahmen der Ausstellung Eyes wide open präsentieren die Absolventen des Lette Verein Berlin gemeinsam im Kühlhaus Berlin ihre Abschlussarbeiten. Die 26 Projekte sind in individuellen Prozessen entstanden und spannen den Bogen von Dokumentation über Inszenierung bis Konzeption.
Eyes wide open / 01. Oktober bis 07. Oktober 2020
Kühlhaus Berlin / Luckenwalder Straße 3 / 10963 Berlin
AMERICA 1970s/80s. EVELYN HOFER , SHEILA METZNER JOEL MEYEROWITZ HELMUT NEWTON. Nach seiner Festanstellung bei der französischen Vogue im Jahr 1961 arbeitete Helmut Newton auch für die amerikanische Ausgabe des Modemagazins. Einige Aufnahmen entstanden in Europa, andere in den USA. Nach 1980 kamen zahlreiche Porträts der „Berühmten und Berüchtigten“ in Hollywood hinzu. Etwa parallel entstanden die ausgestellten Aufnahmen von Joel Meyerrowitz. Im June Room der Helmut der Newton Foundation werden im Rahmen der Ausstellung New-York Aufnahmen von Evelyn Hofer aus den 1960er und 1970er Jahren präsentiert. Ihre subtilen Farbbilder prägten viele nachfolgende Fotografen. Dem gegenüber stehen die raffinierten Modeinszenierungen der amerikanischen Fotografin Sheila Metzner, die eine enge Freundschaft mit Helmut und June Newton verband.
America 1970s/80s / 9. Oktober bis 16. Mai 2020
Helmut Newton Foundation / Jebensstraße 2 / 10623 Berlin