Franziska Stünkel – Coexist der Welten


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Seit zehn Jahren reist die international ausgezeichnete Filmregisseurin und Fotokünstlerin Franziska Stünkel durch Asien, Afrika, Europa und Amerika auf der Suche nach natürlichen Reflexionen auf Schaufensterglas, die in ihrer Verdichtung von der Koexistenz menschlichen Lebens erzählen. 

Zu höchster Komplexität aufgeladen, sind ihre Fotografien die Visualisierung der Gemeinsamkeiten und Gegensätze, die in unserer vielfältig vernetzten Welt bestehen. Die Künstlerin verzichtet dabei vollständig auf die digitale Nachbearbeitung ihrer Fotografien. 

Wir leben in einer Zeit der visuellen Reizüberflutung. In diesem Kontext stellen sich Fragen auf. - Was sehen wir, welche Bilder nehmen wir überhaupt noch wahr. Welche Kriterien müssen künstlerische Positionen erfüllen, um sichtbar zu werden, um unserer Aufmerksamkeit zu erhalten. 

Stünkel fängt mit der Spiegelung auf der Scheibe sich überlappende Bilder ein. Die Dinge existieren neben-, vor- und übereinander, nur durch den Lichteinfall im Glas. Es war ein Moment in Shanghai, mit dem alles anfing, als sich in der Fensterscheibe eines Cafe´s die Innen- und Außenwelt übereinander verschoben.

Seitdem hat Franziska Stünkel ihr Bildthema gefunden und reist mit ihrer LeicaM9 auf der Suche nach diesen Reflexionen oder auch Koexistenzen um die Welt. Nie ist sie auf einem ihrer Bilder selbst zu sehen, weshalb sie ihr Bildmotiv nie direkt oder frontal aufnimmt. Tritt in eine nonverbale Kommunikation mit ihren Mitmenschen.

Ihr geht es um das Verschwimmen von Welten. Um die Frage, was nehmen wir wahr?  Ist es der kleine chinesische Junge, der vor seinem Teller sitzt oder das Auto, das fast in die Theke des Cafés zu fahren scheint? Stünkel hält nur einen kurzen Moment fest, der sich im nächsten schon wieder verflüchtigt hat.


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In diesem Frühjahr hat Franziska Stünkel ihren ersten Bildband Coexist veröffentlicht. Entstanden ist ein vielschichtiger Blick auf die hochaktuelle Frage nach Koexistenz in unserer Gegenwart, ergänzt durch Textbeiträge namhafter Autoren und Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen, darunter Künstliche Intelligenz, Biologie, Psychologie, Glücksforschung, Linguistik, Kultur und Angstforschung.

Mit dem Buch hat sich Stünkel einem neuen Medium geöffnet und schnell wird klar, dass es mehr als um die Abbildung ihrer Fotografien geht. Sie kehrt ihre Arbeit fast um, Haptik kommt ins Spiel. So ist das Cover matt und nur der Titel Coexist wirkt wie ein Spiegel und erzeugt den Eindruck von Glas.

Im Buch ist das Bild nicht wie sonst vor uns, sondern wir schauen darauf und gehen mit ihm eine andere Koexistenz als sonst mit den Bildern von Stünkel ein. Es gibt nur den sichtbarer Bereich vor uns, allerdings beeinflusst auch der nicht sichtbare Bereich hinter uns das Geschehen.

Doch der besondere Bildband überzeugt mit noch mehr. Von Franziska Stünkel gibt es kein erklärendes Wort, nur eine Danksagung und der Hinweis, dass sie das Fotobuch allen Menschen widmet, "die sich für eine friedliche Koexistenz einsetzen". 

Es gibt auch kein Bildverzeichnis, aus dem man erfahren könnte, wo sie wann welches Fotos geschossen hat. Dafür aber hat sie Freunde eingeladen, ihre Idee von Koexistenz in der aktuellen Zeit niederzuschreiben, noch nichts ahnend, welche Monate auf uns als Gesellschaft zukommen.

In einem intellektuell anregenden und graphisch wunderschön gestalteten Textteil, der zwischen die Fotos geheftet ist, denken Schriftsteller und Biologen, Psychologen und Anthropologen über den Begriff der Koexistenz nach, über Glück und Angst, Identität und Heimat, Künstliche Intelligenz und Sex-Roboter und geben so auf ihre Weise den Bildern von Franziska Stünkel neuen Input.


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Franziska Stünkel
Coexist

© Alle Fotos Franziska Stünkel


Anne Harting

Chefredakteurin und Herausgeberin

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