Jeremy Shaw - Blick zurück auf die Gegenwart
Julia Stoschek ist begeistert. Nach über einem Jahr lässt sie es sich nicht nehmen, persönlich die neue Ausstellung ihres Freundes Jeremy Shaw Quantification Triology in der Julia Stoschek Collection Berlin vorzustellen. Bereits seit über 10 Jahren lebt Shaw in Berlin und ist längst kein Unbekannter mehr in der internationalen Kunstszene.
Jeremy Shaws Arbeiten untersuchen veränderte Bewusstseinszustände und die kulturellen und wissenschaftlichen Praktiken, die transzendentale Erfahrungen zu erreichen oder abzubilden versuchen. Er interessiert sich für Kontrollverlust, die Wirkung von Tanz, Ekstase und spirituellen Sitzungen sowie dem Wunsch und Streben nach Transzendenz.
Für seine Arbeitsweise hat Shaws eine ganz eigene Formensprache gefunden. Er arbeitet gerne mit Archivmaterial, was seinen Arbeiten ein pseudo-amerikanischen Charakter und eine gewisse Intensität verleiht. Zum Teil wurden die Filme mit 6mm-VHS-Filmen gedreht, die historisch anwirken. Es sind immer parafiktionale Erzählungen, die aus der Zukunft erzählen, aber wie die Vergangenheit aussehen.
Die Julia Stoschek Collection stellt erstmals in Berlin die Quantification Triologie vor. Das Gesamtkunstwerk umfasst die drei parafiktionalen Kurzfilme Quickeners (2014), Liminals (2017) und I Can See Forever (2018). Die zeitlich und verwobenen Arbeiten erzählen von marginalisierten Gemeinschaften in einer Zukunft nach „The Quantification“.
Durch diese wissenschaftliche Entdeckung sind sämtliche Parameter transzendentaler Erfahrung empirisch erforscht und einen Zustand vollkommenen Rationalität erzeugt. Um den Betrachter von der Echtheit des Gesehenen zu überzeugen und kritische Perspektiven auf Machtsysteme zu eröffnen, führt Shaw verschiedene Stilmittel wie Bildmedien des 20. Jahrhunderts, Konzeptkunst und Musikvideogenre mit Stilelementen des Ciéma véritè zusammen.
Quickerners, dessen Erzählung 500 Jahre in der Zukunft angesiedelt ist, zeigt die Handlungen einer kleinen Gruppe von Quantenmenschen. Die Aktivierung eines latenten Gens weckt in den Betroffenen, die in Vergessenheit geratene Spiritualität ihrer menschlichen Ahnen aufzuspüren.
Liminals dagegen ist als wiedergefundene Episode einer Dokumentarserie über Randgesellschaften inszeniert, die auf den weit verbreiteten Verlust der Fähigkeit zu glauben reagieren.
Als Gegenstück ist I Can See Forever anzusehen. Angelegt als Fernsehdokumentarserie über The Singularity Project, ein gescheitertes Regierungsexperiment, dass auf die Schaffung einer Synthese von Mensch und Maschine abzielte.
Ergänzt wird die Triologie durch Shaws in Prismenglas gefasste Fotoserie Towards Universal Pteern Recognition, die für etwas Entspannung zwischen den einzelnen Sequenzen der Triologie sorgen.
Shaws Ausstellung fordert sicherlich den Betrachter, nicht nur zeitlich. Was sich jedoch zunächst kompliziert anhört, wirkt in den einzelnen Filmen selbstredend. Gerade auch mit den Erfahrungen der aktuellen Zeit.
Jeremy Shaw Quantification Triology
05. September bis 29. November 2020
Julia Stoschek Collection / Leipziger Straße 60 /10117 Berlin
Samstag und Sonntag 12-18 Uhr