düsseldorf photo+ - Wo fängt die Wirklichkeit an?


Toby Binder, Tiernan, aus der Serie Wee Muckers, 2016, Fine Art Print auf Baryta, 100 x 70 cm Credit © Toby Binder, Courtesy Galerie Clara Maria Sels


Noch bis Mitte Juli widmet sich die dritte Edition der düsseldorf photo+ Biennale for Visual and Sonic Media unter dem Titel On Reality dem Thema Fotografie und KI. Besonders im Bereich der Fotografie haben Künstler stets mit technischen Neuerungen experimentiert und ihre Entwicklung vorangetrieben. Auch die düsseldorf photo+ nimmt sich dieser unter Leitung von Pola Sieverding und Rupert Pfab an. Über 50 Galerien, Sammlungen und Institutionen zeigen die entstandenen audiovisuellen Wirklichkeiten von Künstlern in Form von Fotografie oder computergenerierten Bild- und Klangwelten in Ausstellungen und Talks. Entstanden ist ein interessantes Portfolio unterschiedlicher Empfindungen von Wahrheit und unterschiedliche Erfahrungen von Realität. 

"Unser ganzes Konzept von Realität ist in Frage gestellt,", so Pola Sieverding. Seit KI in der Lage ist, realitätsnahe Bilder zu produzieren, steht die Fotografie auf einem besonderen Prüfstand. Sieverding spricht über den Vertrauensverlust zu Bildern und die Chance, einen neuen Umgang mit ihnen zu lernen. Diesem Thema widmet sie sich auch in der von ihr zusammen mit Asya Yaghmurian kuratierten Ausstellung Ways of Seeing im neuen photo+ lab.

Natascha Sadr Haghighian, onco-mickey-catch, 2016, Taxidermy, computer, RealSense cameras, Skype, CatchEye, sound Credit Photo: Foto: Jens Ziehe

Sie erforscht die Verbindungen zwischen Mechanismen der Macht, der Kontrolle, der sozialen Verantwortung und der Narrative der Freiheit und wie sie mit und durch die Linse manifestiert oder gebrochen werden. Digitale Operationen ersetzen den menschlichen Blick. Es wurden Positionen versammelt, die sich auf unterschiedliche Weisen mit Themen der Überwachung und Gegenüberwachung beschäftigen. So lädt die Installation Onco-Mickey-Catch von Natascha Sadr Haghighian zwei Personen zu einem Bildtelefonat ein. Eine Applikation verändert die Haltung der Köpfe, sodass der Eindruck entsteht, die beiden Personen würden sich in die Augen blicken. 

darktaxa-project, phtoograify, 2024

Interessante Einblicke verspricht auch das darktaxa project. Einige Arbeiten von Alex Grein oder Aaron Scheer kennen wir bereits aus Ausstellungen bei Office Impart. Sowohl der Ausstellungstitel phtoograify als auch das Titelbild mit einem merkwürdigen Insekt sind KI-generiert. darktaxa versteht sich als eine Arbeits- und Diskursplattform von Künstlern, die experimentell an der Schnittstelle von Fotografie und neuen digitalen bildgebenden Verfahren arbeiten.

Alex Grein, Speicher 2021, Courtesy: Die Künstlerin und Galerie Gisela Clement , Foto: PAJO ONE

Unser Weg führt uns weiter zur Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Die von Steffen Siegel kuratierte Ausstellung Lea pof faith bezeichnet einen riskanten Sprung, bei dem nicht sicher ist, ob die Landung glücken wird. Kann die Fotografie unserer Gegenwart einen solchen Sprung wagen? Die zeitgenössische Kunst kann hierauf eigene Antworten geben, und sie tut dies in einer überraschenden Vielfalt fotografischer Formen: als Tableau, in Skulpturen, Videos oder Installationen wie Speicher von Alex Grein.

Aurel Dahlgrün und Tomas Kleiner, Involved In Gravity, 2024

Diese Vielfalt der Positionen spiegelt sich auch anlässlich der düsseldorf photo+ in den Galerien wider. Albrecht Fuchs bei Van Horn, Thomas Ruff bei Thomas Fischer, Jürgen Klauke bei Hans Mayer oder Toby Binder bei der Galerie Clara Maria Sels. Besonders beeindruckt hat uns die Ausstellung der beiden jungen Künstler Aurel Dahlgrün und Tomas Kleiner bei Petra Rinck. Ausgangspunkt von Involved in Gravity ist die erste von Menschen gemachte Fotografie des gesamten Planeten Erde, Nasa-Bild: AS-16-2593, chromogener Original-Abzug, 1968. Mit einem Sprung auf der Erde versucht Dahlgrün der Schwerelosigkeit nahezukommen, während Kleiner versucht, diesen beim Tauchen zu imitieren. Hier kann er das Gefühl der Massenanziehung beeinflussen und sich wie ein Astronaut fühlen.

Ute Behrend, Florian aus der Serie: Flowers you gave to me, 2024, Fine Art Print, 30 × 42 cm

Während hier junge Positionen gezeigt werden, widmen sich andere Teilnehmer der düsseldorf photo+ auch älteren Positionen. Ein wunderbares Beispiel hierfür ist die von Hartmut Neumann anlässlich des 30ten Geburtstags von Beck & Eggeling kuratierte Ausstellung Der Blumenstrauß. Die vergängliche Pracht in den Räumen der Galerie in der Biker Straße. Die arrangierten Fotos von Blumensträußen aus der Zeit Mitte des 19. Jhd. bis zu computerbasierter Fotografie heute lassen Wirklichkeit und Künstlichkeit in künstlerischen Installationen aufeinanderprallen und trotz des zunächst hübschen Sujets gibt diese Ausstellung doch auch die ganze Bandbreite der Biennale for Visual and Sonic Media wieder.


düsseldorf photo+ Biennale for Visual and Sonic Media
17. Mai bis 14. Juli 2024

www.duesseldorfphotoplus.de


Anne Harting

Chefredakteurin und Herausgeberin

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Der Blumenstrauß. Die vergängliche Pracht

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René Magritte Museum - Einblicke in sein Leben