Hilma af Klint und Wassily Kandinsky. Träume von der Zukunft


Hilma af Klint, Die Zehn Größten, Gruppe IV, Nr. 7, Das Erwachsenenalter, 1907, Tempera auf Papier, auf Leinwand montiert, 315 x 235 cm, The Hilma af Klint Foundation, Foto: The Moderna Museet, Stockholm, Schweden


Die Ausstellung zu Hilma af Klint und Wassily Kandinsky ist eine Premiere. Obwohl die Künstlerin und der Künstler seit einigen Jahren häufig in einem Atemzug genannt werden, trafen ihre Werke bisher nur vereinzelt im Rahmen großer Gruppenausstellungen aufeinander. Doch während Letzterer schon zu Lebzeiten gefeiert wurde, kam der internationale Durchbruch für af Klint erst im 21. Jahrhundert. Jetzt stellt das Düsseldorfer K20 die Werke der beiden erstmals in einer Ausstellung zusammen aus.

Und trotzdem gibt es nur einen wirklichen Star in dieser Ausstellung. Der große Wassily Kandinsky tritt gänzlich in den Schatten von Hilma af Klint und ab jetzt wird diese Ausstellungsrezension auch sehr persönlich. Ich kann mich kaum erinnern, wann mich zuletzt Kunst in diesem Rahmen so bewegt hat. Star der Ausstellung sind Die zehn Größten von Hilma af Klint.

Atemberaubend und bewegend, so muss ich mein Erlebnis bei meinem Besuch der Ausstellung beschreiben. Wann erlebt man, dass junge wie ältere Besucher einer Ausstellung an einem Punkt verweilen, die Kunst intensiv auf sich wirken lassen. Ich habe überlegt, wie ich diesen Moment in diesem Beitrag festhalten kann. Zugute kam mir in der vorletzten Woche der wunderbare Weltkunst-Newsletter Was läuft? meiner sehr geschätzten Kollegin Clara Zimmermann und Simone Sondermann.

Hilma af Klint, Die Zehn Größten, Nr. 4, Jugend, 1907, Tempera auf Papier, auf Leinwand montiert, 315 x 224 cm, The Hilma af Klint Foundation, Foto: The Moderna Museet, Stockholm, Schweden

Ihnen erging es ähnlich wie mir und ich möchte sie zitieren: „Vor ihrer Gemäldeserie Die zehn Größten zu sitzen und diese Meditation über die Lebensalter auf sich wirken zu lassen, ist ein Erlebnis, das nachhallt.“ Selbst Florian Illies und Giovanni di Lorenzo streiten sich in ihrem Podcast Augen zu, wer denn nun der wahre Impulsgeber für die abstrakte Kunst war: Kandinsky oder af Klint.

Doch noch einmal zurück zu Die zehn Größten. Die Serie hält, was der Name verspricht: Es sind die größten Bilder, die Hilma af Klint jemals gemalt hat. Sie schuf die Gemälde 1907 in einem Atelier in der Innenstadt von Stockholm. Um das große Format zu bewältigen, entwickelte sie eine eigene Technik. Sie beklebte die Leinwände mit Papier und malte mit flüssiger Temperafarbe. Im Gegensatz zu Kandinsky hat af Klint ihre Werke nicht signiert.

Sie war der Überzeugung, dass höhere Kräfte an der Bildfindung beteiligt waren. In ihren Notizbüchern erwähnt sie die Freundin Cornelia Cederberg, die nach Anweisungen der Künstlerin bei der Ausführung der Zehn Größten half. Af Klint nennt die Serie auch Evolutionsbilder. Die Werke sind den Lebensstadien zugeordnet: Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter und hohes Alter. Alles ist hier in Bewegung. Die Gemälde könnten Formen zeigen, die mikroskopisch klein sind oder astronomisch groß. Gegensätze lösen sich auf. Mischfarben, Verbindungen und Berührungen durchziehen die Bildräume. Die Arbeit an den Werken forderte ebenso viel geistige wie körperliche Kraft. „Was ich brauchte war Mut und Mut wurde mir versprochen“, schrieb af Klint in ihr Notizbuch.

Wassily Kandinsky, Im Blau, 1925, Öl auf Pappe, 80 x 110 cm, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Foto: Achim Kukulies

Ausgangspunkt der Ausstellung im K20 ist die Abstraktion, zu deren Entwicklung in der westlichen Malerei Klint wie Kandinsky entscheidende Beiträge geleistet haben. Die Gegenüberstellung bietet die Möglichkeit, die Werke wechselseitig zu erhellen. Und ich hoffe sehr, dass Sie mir an dieser Stelle die Begeisterung für Die zehn Größten verzeihen.


Hilma af Klint und Wassily Kandinsky. Träume von der Zukunft
16. März bis 11 August 2024

K20 /Grabbeplatz 5 / 40213 Düsseldorf
Dienstag bis Sonntag 11-18 Uhr


Anne Harting

Chefredakteurin und Herausgeberin

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