Hollywood – Helmut Newton & die Traumfabrik
Chateau Marmont, Sunset Boulevard, Hausnummer 8221 – Wohn- und Arbeitsort des großen Fotografen Helmut Newton. Hier liefen ihm die Reichen, Berühmten und Schönen Hollywoods förmlich vor die Kamera, entstanden viele seiner bekanntesten Aufnahmen der Glamourmetropole. Sie bilden den Ausgangspunkt der Gruppenausstellung Hollywood der Berliner Helmut Newton Foundation.
Kurator und Museumsdirektor Matthias Harder ist erneut ein großer Coup gelungen. So spannt die Ausstellung einen Bogen von Newtons Werk über die Geschichte der Fotografie in den Filmstudios bis hin zu einem Blick hinter die Kulissen einer Stadt, in der Träume entstehen aber auch zerbrechen.
Helmut Newton hat sich in seiner Fotografie immer wieder auf das Kino bezogen, aber auch konkrete Filmszenen zitiert, etwa von Alfred Hitchcock oder der französischen Nouvelle Vague. So wirken einige seiner Modeinszenierungen seit den 1960er-Jahren geradezu kinematografisch, und manche Porträts seit den 1970er-Jahren wie kunstvolle Film-Stills.
Martin Scorsese, die nackte Grace Jones oder Debra Winger mit Zigarette im Mundwinkel, um nur einige zu nennen, wurden so zu Ikonen des Starkults. Erstmalig in der Helmut Newton Foundation zu sehen ist die für die Zeitschrift Vanity Fair entstandene Aufnahme von Elizabeth Taylor. Mit Juwelen und grünem Papagei ging die Schauspielerin damals vor der Kamera des Starfotografen im Pool baden.
Der Hauptraum der Ausstellung ist dem Medium Film und dem System Hollywood in unterschiedlichen Aspekten gewidmet: Gezeigt werden etwa Arbeiten von Ruth Harriet Louise, die mit nur Anfang 20 erste Profi-Fotografin der Filmstudios Hollywoods wurde. In einer Glasvitrine wird überdies eine umfangreiche Portfolio-Mappe aus dem Besitz von Helmut Newton mit etwas späteren Aufnahmen von George Hurrell, dem Nachfolger der Louises, präsentiert.
Beeindruckend sind auch die späteren Standbilder und Filmsets von Steve Schapiro und mehreren Magnum-Fotografen, darunter Eve Arnold und Inge Morath, die 1960 während der Dreharbeiten des John Huston-Film Misfits fotografierten. Etwas separiert finden sich fünf große, formal reduzierte Schwarz-Weiß-Porträts von Anton Corbijn, darunter Stars wie Clint Eastwood bis Tom Waits.
Doch Hollywood ist nicht nur die Stadt der Träume und des Glamours. Im hinteren Ausstellungsraum legt Harder den Schwerpunkt auf der Stadt Los Angeles; hier sind Julius Shulmans Architekturaufnahmen der legendären Villen in den Hollywood Hills oder Beverly Hills zu sehen, architektonische Ikonen der L.A.-Moderne, in denen manche Filmstars oder Produzenten lebten oder die gelegentlich zum Filmset wurden.
Demgegenüber zeigt uns Michael Dressel seine kontrastreichen, teilweise schonungslosen Porträts der Gescheiterten und Desillusionierten oder auch Hollywood-Touristen. Es sind flüchtige Begegnungen, die durch ihre Spontanität und situative Komposition bestechen.
Jens Liebchens Farbbildserie L.A. Crossing entstand ab 2010 im Rahmen des von Markus Schaden initiierten Projekts La Brea Matrix auf den Spuren von Steven Shore. Aus seinem Mietwagen heraus fotografierte Liebchen vermeintlich unspektakuläre Straßenszenen, die sich in Form der Bildsequenz als empathisch-soziologische Gesellschaftsstudie entpuppt. Ihm gegenüber hängt Philip-Lorca diCorcias Hustler-Serie aus den 1990er-Jahren, also Porträts männlicher Prostituierter rund um den Santa Monica Boulevard. Im Bildtitel wird der Name der Porträtierten ebenso angegeben wie ihr Herkunftsort und ihr Stundensatz, der sich hier allerdings auf das Foto-Honorar bezieht.
Last but not least endet der Ausstellungsrundgang im June`s Room mit Aufnahmen von Alice Springs, aufgenommen 1984 auf der Melrose Avenue in West Hollywood. Dort begegnen wir der musikbasierten Gegenkultur der Punks und Mods und anderen Selbstdarstellern, die die Straße zur Bühne machen, als sei alles eine Castingshow. So zeichnet diese Gruppenausstellung das Faszinosum Hollywoods nach, das noch immer viele Menschen auf der Suche nach Jobs in der Filmindustrie nach Los Angeles treibt.
Wir sehen Stars, offiziell und privat, die Villen der Schönen und Reichen oder filmbegeisterte Touristen sowie zahlreiche Nebenmotive wie Filmrequisiten in den Studios. Die Ausstellung Hollywood blickt über die gewählten Exponate einerseits 100 Jahre zurück und ist gleichzeitig hochaktuell; es ist eine Hommage an den langsam verblassenden Glanz einer ganzen Epoche, und so wird das kinematografische Storytelling hier mit fotografischen Mitteln fortgesetzt.
Hollywood
03. Juni bis 20. November 2022
Helmut Newton Stiftung / Jebensstraße 2 / 10623 Berlin
Dienstag bis Sonntag 11 bis 19 Uhr