Johanna Dumet - Festmahl s´il vous plaît

Art

Johanna Dumet, I Hope I Didn’t Forget Anything (2023) Gouache, oil, paper on canvas; 190 x 160 cm © Johanna Dumet, Courtesy KEWENIG Berlin 


Werke von Johanna Dumet sind erstmals in KEWENIGs pied-à-terre zu sehen. Ihr zeitgenössischer Blick auf die Traditionen der Kunstgeschichte findet hier ihren Ausdruck in neuen Collagen, der sich diese Ausstellung ausschließlich widmet. Die Bilder zeigen, von oben gesehen, gedeckte Tische mit den Spuren kleinerer und größerer Mahlzeiten, – Momentaufnahmen, die einen Augenblick des Beisammenseins erfassen.

Bei Dumet entsteht jedes dieser Bilder in der Weise, wie sie dem Ablauf des Tischdeckens entspricht: Zunächst bringt sie einen großen Papierbogen als Tischdecke auf den Bildträger auf, einfarbig oder gemustert, dann die zuvor bemalten und zurechtgeschnittenen Papiere für Geschirr und Besteck, und schließlich die in gleicher Weise vorbereiteten Speisen und liegengelassenen Dinge. Selbst das Arrangieren der Papiere im Atelier, das dem Prozess der Werkentstehung etwas Spielerisches verleiht, entspricht dem Hin- und Herschieben der Gegenstände bei Tisch.

Johanna Dumet, Ein Mispelchen zuviel (2023) Gouache, oil, paper on canvas; 170 x 140 cm © Johanna Dumet, Courtesy KEWENIG Berlin

Johanna Dumet, Escargots au Paris Bar (2023) Gouache, oil, oil stick, paper on canvas; 128 x 102 cm © Johanna Dumet, Courtesy KEWENIG Berlin 

Dumet begreift in ihrem Werk die Collage als eine malerische Technik. Wie auch in früheren Werken wird hier ihre Auseinandersetzung mit Stillleben deutlich, insbesondere mit den späten Darstellungen aus dem Frankreich des 18. Jahrhunderts, mit jener Einfachheit und Alltäglichkeit, fern von jedem höfischen Prunk. Die kräftigen Farben und die Energie, die von ihnen ausgeht, erinnern indes in ihrer Intensität an Henri Matisse (1869-1954). Wie bei ihm und anderen fauvistischen Malern verrät Dumets weitgehender Verzicht auf die Darstellung von Bildtiefe den Versuch, allein durch die Farbe einen poetischen Raum zu schaffen.

Nicht zuletzt fängt Dumet mit ihrer Darstellung die Situation ein, in der jeweils die Idee für das Bild entstanden ist: ein Essen mit Freunden und Verwandten, verbunden mit Erinnerungen an schöne Stunden und gute Gespräche. Zuletzt klebt sie die Rechnung auf das Bild. Sie funktioniert, sagt Dumet, wie ein journal, ein Tagebuch, das von dem Lokal, der Speisenfolge und von der Anzahl der Gäste erzählt.

Johanna Dumet, McDo avec papa (2023) Gouache, oil, oil stick on paper; 55 x 74 cm © Johanna Dumet, Courtesy KEWENIG Berlin

Eine Variation dieses Erzählmusters bietet das Bild I Hope I Didn’t Forget Anything. Anstelle der Restaurantrechnung malt Dumet einen handgeschriebenen Einkaufszettel, der auf dem Tisch liegt, der üppig gedeckt ist – mit dem so geplanten und bis dahin nur imaginierten Gericht. Das ,zubereitete‘ Ergebnis präsentiert das Diptychon Let Them Eat Cake. Die Festmahlstafel ist ergänzt durch ein aktives Element: Hände, die das Essen auftragen und die Gäste bewirten, ragen in den Bildausschnitt. Das Nebeneinander dieser beiden Bilder, wie bei zwei Abschnitten einer Erzählung, führt überdies auf neue zeitliche Ebenen, die den Moment der Rückschau um Zukunft und Gegenwart ergänzen.

Johanna Dumet, Quick Lunch at Manzini (2023) Gouache, oil, oil stick on paper; 73 x 80 cm © Johanna Dumet, Courtesy KEWENIG Berlin 

Es sind diese Momente, die Orte, die Gedanken und Erlebnisse, die Dumet in ihren Collagen malerisch darstellt, und die auf diese Weise letztlich zu „Festmahlen“ werden. Dies gilt auch dann, wenn Dumets Wahl dieses mit Dekadenz verbundenen Begriffes im Ausstellungstitel provokant oder ironisch verstanden werden kann, handelt es sich doch oft um die Einkehr in einem Café (P’tit déj’ au Belfort) oder einem Schnellrestaurant (McDo avec papa).

Johanna Dumets Kompositionen mögen an die Unmittelbarkeit der schnellen, alltäglichen Fotografie und ihre Präsenz in den sozialen Medien erinnern. Jedoch verleiht sie ihren Sujets durch die sichtbare Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte eine überzeitliche Bedeutung und durch ihre erzählerische Hingabe emotionale Zugänglichkeit und eine zeitgenössische Relevanz.


Johanna Dumet - Festmahl s´il vous plaît
2. bis 30. September 2023

pied-à-terre / Mommsenstraße 4 / 10629 Berlin
Donnerstag bis Samstag 11-18 Uhr


Zurück
Zurück

Berlin Art Week – Eine Woche voller Inspiration

Weiter
Weiter

Museum Brandhorst - La vie en rose. Brueghel, Monet, Twombly