Precious Okoyomon – One either loves oneself or knows oneself


Precious Okoyomon ONE EITHER LOVES ONESELF OR KNOWS ONESELF Detailansicht 1. Obergeschoss Kunsthaus Bregenz, 2025 I wanted to kill but had nothing to kill, 2025 Foto: Markus Tretter © Precious Okoyomon, Kunsthaus Bregenz Courtesy of the artist


Die Werke von Precious Okoyomon bewegen sich zwischen Kunst, Poesie und Performance. Sie befassen sich mit Themen wie Identität, Kolonialgeschichte, Spiritualität sowie der Beziehung der Menschen zu Dingen und der lebendigen Umwelt. Dabei verbindet die Künstlerin intime, persönliche Fragestellungen mit politischen und gesellschaftlichen Aspekten. Okoyomon ist bekannt dafür, diese tiefgreifenden Themen in einfühlsame, aber auch kraftvolle Kunst zu übersetzen.

Bereits vor der Pandemie, im Alter von nur 27 Jahren, wurde Okoyomon als jüngster Künstlerin in der Geschichte des Kunsthaus Bregenz eingeladen. Ihre Arbeiten, die oft organische Materialien wie Erde, Pflanzen und Tiere einbeziehen, machten sie einem breiten Publikum bekannt. Ein herausragendes Beispiel ihrer Arbeit war die Installation auf der Biennale in Venedig 2022, bei der sie eine Halle der Arsenale in ein üppiges, wucherndes Ökosystem verwandelte. Hier verband sie Prozesse der Natur mit afrofuturistischen Visionen und thematisierte gleichzeitig die Migrationsgeschichte von Pflanzen und deren Verdrängung.

Für das Kunsthaus Bregenz hat Okoyomon nun mehrere neue Arbeiten entwickelt, die verschiedene Themen in den Mittelpunkt rücken. Im Erdgeschoss der Ausstellung befinden sich zwei Büros, die an die psychoanalytische Praxis von Carl Gustav Jung erinnern. Möbel aus der Zeit um 1900 schaffen eine Atmosphäre, die zugleich vertraut und sachlich wirkt. Besucher werden hier von „Existential Detectives“ in verzierten Laborkitteln begrüßt, die sie in Dialog über Träume, Erinnerungen und verborgene Gefühle verwickeln. Fragebögen und Aquarellfarben laden ein, sich mit eigenen Gedanken und Bekenntnissen zum Kunstwerk zu äußern. Ein Regal mit Büchern zu Themen wie Liebe, Kochen, Philosophie und arabischer Poesie sowie Werke von Édouard Glissant unterstreichen die Reflexion über Identität und die schöpferischen Wechselwirkungen zwischen den Kulturen. Die Tapete zeigt Zeichnungen von Okoyomon, deren hybride Figuren mit großen Köpfen, puppenhaften Körpern und flammenden Augen eine verträumte, aber auch dämonische Atmosphäre schaffen – eine Einladung, in die Tiefen der eigenen Psyche einzutauchen.

Dieser dialogische Raum setzt sich in den Stiegenhäusern fort, die für die Ausstellung verdunkelt wurden. Eine zusätzliche Decke verengt den Gang nach oben und erzeugt ein neues, fast erstickendes Raumgefühl, das den Besucher die Erfahrung von beengtem Raum und innerer Enge näherbringt.

Precious Okoyomon ONE EITHER LOVES ONESELF OR KNOWS ONESELF Ausstellungsansicht 2. Obergeschoss Kunsthaus Bregenz, 2025 in the belly of the sun endless, 2025 Foto: Markus Tretter © Precious Okoyomon, Kunsthaus Bregenz Courtesy of the artist und Kunsthaus Bregenz

Precious Okoyomon ONE EITHER LOVES ONESELF OR KNOWS ONESELF Ausstellungsansicht 2. Obergeschoss Kunsthaus Bregenz, 2025 in the belly of the sun endless, 2025 Foto: Markus Tretter © Precious Okoyomon, Kunsthaus Bregenz Courtesy of the artist und Kunsthaus Bregenz

Im ersten Obergeschoss hingegen schaffen die hängenden Plüschtiere, aus gebrauchten Kuscheltieren gefertigt und mit echten Federn versehen, eine verstörende, aber zugleich poetische Szenerie. Diese weichen, kindlichen Wesen wirken wie Engel, deren Schicksal eine zerstörerische Wendung genommen hat. Okoyomons Werk thematisiert hier – wie oft – Träume, Hybridität und die Zerbrechlichkeit von Zuneigung und Schmerz. Kuscheltiere sind die vertrauten Gefährten der Kindheit, die uns beschützen, Trost spenden und als Projektionsfläche für unsere Fantasien dienen. Doch in der Welt von Okoyomon wird dieser Schutz in Frage gestellt.

Im zweiten Obergeschoss wird der Raum von einem riesigen Teddybär dominiert, der verlassen am Rand eines plüschigen rosa Teppichs liegt. Mit seinen tropfenförmigen Augen und dem bekümmerten Blick wird er zu einem Symbol für Momente der Selbstvergessenheit und der Tagträume. Die begleitende Musik der Soundkünstlerin Takiya Reed verstärkt das Gefühl des Übergangs in tranceartige Zustände. Ihre sphärischen Klänge führen die Besucher*innen in eine Zwischenwelt – einen Zustand zwischen Wachen und Schlaf, in dem sich die Gedanken auflösen und innere Bilder lebendig werden.

Precious Okoyomon ONE EITHER LOVES ONESELF OR KNOWS ONESELF Ausstellungsansicht 3. Obergeschoss Kunsthaus Bregenz, 2025 the world requires something of me and I’m looking for a place to lie down, 2025 Foto: Markus Tretter © Precious Okoyomon, Kunsthaus Bregenz Courtesy of the artist

Im obersten Geschoss des Kunsthaus Bregenz betreten die Besucher schließlich einen geschlossenen Garten. Hier befinden sich verpuppten Raupen, die sich im Prozess der Metamorphose befinden, während bereits geschlüpfte Schmetterlinge durch die Luft flimmern. Außerhalb dieses feuchtwarmen Habitats wird ein Film gezeigt, der einen Flug über die Vororte von Okoyomons Heimatstaat Ohio dokumentiert. Dieser wurde speziell für die Ausstellung produziert, und Okoyomon selbst steuert das Flugzeug, während sie ihre eigenen Gedichte laut in den Himmel ruft. Die Bilder vermitteln ein Gefühl von Freiheit und grenzenloser Inspiration. Sie spiegeln eine Vorstellung von Identität wider, die das Leben und die Dinge in der Welt als spirituell bereicherte Quelle begreift – ein Konzept, das sich auch in der Installation der Schmetterlinge widerspiegelt, die für die Besucher unerreichbar bleiben.


Precious Okoyomon – One either loves oneself or knows oneself
1. Ferbruar bis 25. Mai 2025

Kunsthaus Bregenz | Karl-Tizian-Platz | 6900 Bregenz
Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr


Anne Harting

Chefredakteurin und Herausgeberin

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