ArtView mit Andrea von Goetz


Andrea von Goetz © Martin Peterdamm


Mit viel Frische und seit mehr als zehn Jahren ist Andrea von Goetz Initiatorin und die treibende Kraft der sommer.frische.kunst. in Bad Gastein, seit diesem Jahr erstmals als Direktorin des Festivals in den Bergen. Seitdem hat sich der Kurort in den österreichischen Alpen unter ihrer Leitung als Hotspot für Kunst von internationalem Renommee abseits der Metropolen etabliert und zeigt zeitgenössische Positionen auf bis zu 2000 Höhenmetern. Newcomer und Stars der Szene nennen Bad Gastein zu Recht in den Sommermonaten ihr Zuhause.

Andrea von Goetz Leidenschaft gehört der Kunst, aber vor allem der Förderung junger Künstler. Sich selbst bezeichnet sie am liebsten als Kunstkomplizin - und passender könnte man es kaum ausdrücken. Ihr scharfes Auge für junge Kunst hat schon so manche Karriere gefördert oder sie beratend begleitet. Als Kuratorin und Networkerin per excellence baut sie Brücken zwischen Künstlern, Sammlern und Unternehmen.

Wir freuen uns deshalb besonders, Ihnen Andrea von Goetz mit unserem heutigen ArtView vorstellen zu können. Kaum jemand kann so leidenschaftlich wie sie über Kunst, Inspiration und die Vernetzung von Menschen sprechen.


sommer.frische.kunst. 2022 Andrea von Goetz © PAJO ONE

sommer.frische.kunst . 2022 © PAJO ONE

sommer.frische.kunst . 2022 © PAJO ONE

2021 Andrea von Goetz & Lars Eidinger, Kunst von Ariel Reichman ©Hannes Wichmann


Eigentlich war es nicht geplant, dass die Kunst zu Andrea von Goetz kommt, inzwischen sind sie aber enge Freunde geworden. Nach bestandener Banklehre begann die Kunstkomplizin ein Studium der Soziologie, Medienpädagogik und Psychologie. Noch heute erinnert sie sich an die Frage eines Professors, wie man sich seine Zukunft vorstelle. Andrea von Goetz sah einen großen runden Tisch mit vielen internationalen Menschen vor sich. Damals nur ein Traum, ist er inzwischen längst zur Realität geworden ist.

Eines ihrer Steckenpferde ist es, Menschen zusammenzubringen. Und es ist Andrea von Goetz eine besondere Freude, wenn daraus ein Match wird und Gemeinsamkeiten sichtbar werden, wo man sie vorher nicht vermutet hätte - besonders zwischen Sammlern und jungen Künstlern. Was nach außen oft so einfach aussieht, kann auch sehr harte Arbeit sein.

Arbeit, die sich aber lohnt, wie der Erfolg von sommer.frische.kunst. in Bad Gastein beweist. Inzwischen im zwölften Jahr, hat sich vieles verändert und ist professioneller geworden. In den ersten Jahren hat Andreas Mann noch die Presseführungen geleitet und die Kinder mussten stets ihre Sommerferien in Bad Gastein verbringen, während ihre Freunde im Süden weilten. Seit zwei Jahren ist Andrea von Goetz nun selbst die Veranstalterin des Festivals, nicht mehr der Kur- und Tourismusverband Bad Gastein. In diesem Jahr gründete sich der Verein sommer.frische.kunst. mit den Machern der ersten Stunde und allen, die inzwischen am Sommerfestival in den Bergen mitarbeiten und eine neue Vision des Ortes in sich tragen.

Andrea von Goetz © PAJO ONE

„Die Leichtigkeit, die ich am Anfang hatte, wenn ich mit meinen Stipendiaten während der Residencies abends am Wasserfall Bier trank, die gibt es nicht mehr. Doch sie ist etwas anderem, Größerem gewichen, dass es jetzt auszubauen gilt.“, so Andrea von Goetz. Sie ist immer wieder überrascht, wie viele Menschen zum Festival kommen, um sich junge Kunst im ehemals mondänen Kurort Bad Gastein anzusehen, der lange im Dornröschenschlaf lag. Das historische Kraftwerk direkt am Wasserfall ist dabei ein magischer Ort. Es wurde liebevoll restauriert und in diesem Jahr startete hier die erste Ausgabe der kleinen, feinen Messe art:badgastein mit ausgewählten deutschen Galerien.

Erstmalig werden in Sportgastein mit seiner atemberaubenden Naturkulisse Installationen von Olaf Holzapfel und Kazunori Kura zu sehen sein. Es war ein lang gehegter Traum der Kunstkomplizin, dieses Projekt im Nationalpark Hohe Tauern zu realisieren. Nach sehr viel Koordination mit Naturschutz, Tourismusverband und den Bauern, die hier ihre Kühe weiden lassen, ist es gelungen, alle Parteien dafür zu gewinnen. Doch woher zieht Andrea von Goetz ihre Inspirationen und ihre Wünsche?

So wie damals bei der Idee mit dem runden Tisch, so sieht Andrea von Goetz heute weit über die Grenzen von Bad Gastein hinaus. Der Ort und die Kunst sollen in den nächsten Jahren noch viel internationaler werden, gleichzeitig möchte sie ihn für Literatur und Theater öffnen.

Als ich Andrea frage, um welche Projekte sie sich gerne noch kümmern würde, wenn sie dafür mehr Zeit hätte, spricht sie von ihrer Liebe zu Tieren. Gerne würde sie auf ihrem alten Bauernhof in den Bergen einen Gnadenhof einrichten und irgendwie werde ich dabei das Gefühl nicht los, dass es auch so kommen wird.

sommer.frische.kunst. 2022 Kazunori Kura © Hannes Wichmann

Überhaupt spielt die Natur eine wichtige Rolle im Leben von Andrea von Goetz. Nach intensiven Zeiten, in denen sie mit viel Engagement Tag und Nacht alles gibt, braucht sie Phasen, in denen sie sich komplett ausklinkt und sich für lange Spaziergänge mit ihrem Hund zurückzieht. Da möchte sie auch einmal zwei Wochen niemanden sehen. Bad Gastein ist unter anderem einer dieser Orte, an dem sie sich gerne entschleunigt und regeneriert, auch fernab von der sommer.frische.kunst. und zu jeder Jahreszeit.

Andrea von Goetz liebt diesen Ort, auch weil er ein Freiraum für kreative Geister ist – so wie sie. Sein Leerstand, seine bizarre Kulisse mit dem brutalistischen Kongresshaus oberhalb des Wasserfalls lassen Ideen wie die einer Akademie für Architektur, Design und bildende Kunst entstehen.

Kunst und Künstler

Um entdecken zu können, braucht man Ruhe und Muße. Andrea von Goetz unternimmt oft mit (Sammler-) Freunden Fahrten zur Kunst nach Berlin oder Basel. Am intensivsten kann sie aber Kunst erleben, wenn sie allein ist und durch nichts in ihrem Erleben abgelenkt wird. Inspirierend findet sie die Gegenüberstellung von Positionen wie die von Jenny Brosinski und Martha Jungwirth, die erst jetzt im hohen Alter ihre verdiente Anerkennung erfährt. Man kann beide Künstlerinnen nicht zu hundert Prozent miteinander vergleichen, aber beide bedienen bei Andrea von Goetz mit ihrer Malerei ähnliche Aspekte. Welche intensiven Fragen stellte sich Jungwirth schon vor fünfzig Jahren, die Brosinski heute in ähnlicher Weise in ihren Arbeiten als junge Künstlerin wieder aufnimmt und was hat das mit unserer Zeit zu tun?

Andrea von Goetz © Hanne Wichmann

Als Andrea von Goetz vor zwanzig Jahren begann Kunst zu sammeln, kaufte sie viel narrative und figürliche Malerei, die sie liebte und der sie sich auch heute noch verbunden fühlt. Im Laufe der Jahre wurden die Werke immer abstrakter. Die klassische Malerei trat in den Hintergrund und politische und konzeptionelle Arbeiten rückten ins Zentrum. „Ich glaube tatsächlich, dass es da einen Zusammenhang gibt, warum gerade so viel Leichtigkeit, also öffentliche Leichtigkeit in der Kunst mitschwingt. Kunst nimmt immer Themen auf, die Teil unseres Lebens sind und unser alltägliches Tun widerspiegeln.“, sagt Andrea von Goetz während unseres ArtViews.

„Für mich sind die Werke wie Antennen, die je nach Gemütszustand mit meiner Seele kommunizieren; manchmal auch mit verborgenen Seiten. Meiner Meinung nach ist es das, was gute Kunst auszeichnet –  sie öffnet eine zweite oder dritte Ebene in uns. Kunst hat eine Tiefe, die nicht sofort offensichtlich ist.“

Als Kuratorin ist es Andrea von Goetz wichtig, dass hinter jedem Künstler ein künstlerischer Ansatz steht. Näher dazu befragt, antwortet sie mir: „Nur eine schöne Arbeit allein reicht nicht, sie muss berühren. Persönlich gehe ich sehr emotional daran, bin am Ende mein eigener Juror. In Bad Gastein habe ich immer viele Leute, mit denen ich zusammenarbeite und es war von Anfang an mein Ziel, hier Hemmschwellen abzubauen. Ich hatte aber von Anfang an immer eine Jury mit großen Namen und Institutionen dabei, um das Festival sofort qualitätsmäßig ganz oben zu positionieren und damit es eine Relevanz bekommt. Der Erfolg hat uns recht gegeben. Jetzt könnte ich entspannter werden, aber ich merke, dass es bei mir fast schon eine neue Strenge in der Auswahl bekommt.“

„Ich glaube, dass ein akademisches Studium etwas mit Menschen macht. Ob das jetzt ihre Malerei verbessert, sei dahingestellt. Die Auseinandersetzung mit Kunst oder mit soziologischen oder historischen Dingen, das macht etwas mit einem 21jährigen Menschen. Du musst deine Arbeiten in den Klassen vorstellen und dich mit deinen Kommilitonen wie Lehrern auseinandersetzen. Erklären und gleichzeitig Kritik ertragen. Das alles bringt den Künstler in seiner Arbeit und der Qualität weiter und das alles in einer Zeit, in der sich mehr denn je die Frage stellt, was überhaupt bleibt und Bestand haben wird. Ich persönlich finde, man merkt dem konzeptuellen Ansatz einer Arbeit an, ob der Künstler sich auch intellektuell mit der Idee seines Werkes auseinandergesetzt hat und durch die Hochs und Tiefs einer Hochschule gegangen ist, d.h. nicht nur handwerkliche, sondern auch Kopfarbeit leistet.“

sommer.frsiche.kunst 2022 Olaf Holzapfel © Florian Kolmer

Olaf Holzapfel, Sportgastein - Kunst und Natur. „Olaf Holzapfel kenne ich schon viele Jahre und freue mich schon jetzt besonders auf sein Projekt in Sportgastein, wo wir Kunst und Natur zusammenführen. Vier Jahre haben wir dafür gekämpft, dass wir es realisieren können. Ich empfinde Olaf als einen der bedeutendsten Künstler, was die Zusammenarbeit von Handwerk mit Skulptur und Tradition angeht. Vielem, was wir jetzt beispielsweise im Arsenal in Venedig sehen, war er bereits Jahre voraus.“

Sportgastein sei dazu mit seiner Ebene einer der schönsten Orte, die Andrea von Goetz kennt. „Wenn ich hier spazieren gehen kann, bin ich glücklich und meine Gedanken wandern.“, so sagt sie, „In diese Landschaft jetzt die Kunst von Olaf Holzapfel oder Kazunori Kura behutsam zu implementieren, macht mich sehr glücklich. Ich freue ich mich jetzt schon wie wild darauf, wie die Kunst sich der spektakulären Natur unterordnen und ein Teil von ihr werden wird.“

Hamburg ist für Andrea von Goetz vor allem der Ort ihrer Familie. Schade findet sie, dass die Stadt an der Alster oft nicht als die Kunststadt wahrgenommen wird, die sie sein könnte – und dass, obwohl hier viele Mäzene und Kunst- sowie Kulturinteressierte leben, wird Hamburg nicht als Kunststadt wahrgenommen. Viele reisen doch lieber nach Berlin, obwohl das nicht sein müsste. Auch Hamburg hat viele Künstler und hochkarätige Kunst zu bieten, die es zu entdecken gilt.

Andrea von Goetz mit einem Werk von Philipp Fürhofer ©Louisa Ilchmann /Schoeller von Rehlingen

Philipp Fürhofer ist einer der Künstler, mit denen Andrea von Goetz seit Langem eng verbunden ist und dessen Karriere sie begleitet. Im kommenden Januar wird er eine große Ausstellung im Frankfurter Städel haben. „Das sind dann schon so Momente, die mich auch berühren. Weil es einfach schon so lange ist. 2007 habe ich das erste Werk von ihm gekauft und dann denkt man, wie lange man das schon alles macht. Philipp, die Kunst und ich – wir sind Freunde geworden. Sie ist einfach meine Leidenschaft, und sie wird es bleiben. Gleichzeitig ist es auch wichtig, eine Plattform für junge Künstlerinnen und Künstler zu schaffen und sie immer wieder zu unterstützen. Das ist und wird mir weiter neben sommer.frische.kunst. ein besonderes Anliegen sein.“

Danke Andrea von Goetz!


sommer.frische.kunst.
22. Juli bis 04. September 2022

www.artbadgastein.com


Anne Harting

Chefredakteurin und Herausgeberin

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