Michael Ruetz - Beuys bleibt / Beuys - A Close Up
2021 ist Beuys-Jahr: Zahlreiche Ausstellungen und Publikationen widmen sich anlässlich des 100. Geburtstages dem deutschen Ausnahmekünstler und sämtlichen Aspekten seines Werkes. Doch nur wenige werden den Mythos Beuys so neu beleuchten, wie das Buch Beuys bleibt / Beuys – A Close Up des berühmten deutschen Fotografen Michael Ruetz.
Ruetz ist es gelungen, dem Künstler so nahe zu kommen, wie sonst niemand mehr nach ihm – intim, persönlich und unaufdringlich. Entstanden sind auf Aufnahmen, die eigentlich nicht zur Veröffentlichung gedacht waren, sondern für die Nachwelt und allenfalls für Beuys eigenen Zwecke. Dem Fotografen ging es um eine ausführliche Betrachtung, um die „Erkundung des eigentlichen Zeitgenossen hinter dem allzu bekannten, erschöpfend publizierten Beuys“.
Michael Ruetz lernte Beuys in den frühen 70er Jahren über gemeinsame Freunde kennen. Nach einer Weile lud Beuys ihn von sich aus ein, ihn hier- und dorthin zu begleiten. Wahrscheinlich lag es an der distanzierten Lässigkeit, mit der der über 20 Jahre jüngere Fotograf das Vertrauen des Künstlers gewann. Ruetz wurde für die kommenden 5 Jahre mit seiner Kamera zum stillen Beobachter und Freund.
Ikonisch wurden Ruetz Aufnahmen von Beuys Auftritt in Basel, als dieser sein sakrales Stück Celtic aufführte und „bei Schnee und Eis in einem kalten Gelass aus Beton eine Paraphrase auf Taufe, Ausgießung des Heiligen Geistes und Kreuzigung“ darbot. Ein ähnliches Spektakel bot der Boxkampf, der anlässlich der legendären documenta 5 im Jahr 1972 zwischen Joseph Beuys und dem jungen Kasseler Studenten Abraham David Christian stattfand.
Wie kaum ein anderer verstand es Beuys, sich im Rampenlicht und vor den Kameras zu inszenieren. Ruetz Aufnahmen dringen jedoch durch diese Fassade und zeugen von seinem Gespür für den richtigen Augenblick, für Situationen und von seinem genauen Blick auf den Menschen. Dabei ist es die Körpersprache von Beuys, die sofort ins Auge springt.
Ob Beuys als Performer agiert, eine Ideenskizze auf dem dunklen Atelierboden mit heller Kreide anfertigt, oder mit leerer Limoflasche in der erhobenen Hand lacht: Gestik und Mimik besitzen jenes gewisse Faszinosum, das nicht zuletzt dem Moment zu verdanken ist, in dem Ruetz die Aufnahme machte.
Der Fotograf wird Zeuge, wie Beuys seine Entlassung an der Düsseldorfer Kunsthochschule provozierte. Porträtierte in einem stillen Moment den freundlichen Lehrer, der zuhört und das künstlerische Gespräch auf Augenhöhe mit seinen Studenten sucht. Beeindruckend im Buch ist aber auch der intime Gestus der Privataufnahmen der Familie Beuys. Wer hätte sich vorstellen können, Beuys jemals als Fan der Serie Raumschiff Enterprise zu erleben.
Ein schwerer Unfall von Ruetz beendete abrupt die Zusammenarbeit. Während Ruetz später Karriere in Amerika machte, schrieb sich Beuys bis zu seinem Tod weiter in die Kunstgeschichte ein.
Beuys bleibt / Beuys – A Close Up
Michael Ruetz
über
éditions facteur cheval oder
Bücherbogen Berlin
33 Euro